Kalt und sonnig, beste Laufbedingungen beim Darmstadt-Cross am Sonntagmittag auf dem ideal einzusehenden Crossgelände im Süden Darmstadts. Nahezu 800 Meldungen aus allen Teilen Deutschlands, zudem starke Delegationen aus der Schweiz, Österreich und Frankreich – und das alles in einem bunten Mix aus EM-Qualifikationen für mehrere Landesverbände, den Deutschen Hochschulmeisterschaften mit einem Rekordmeldeergebnis von 140 Studierenden aus 42 Universitäten und Hochschulen, dem Finale im Deutschen Cross-Cup und aus lokaler Sicht mit den Kreismeisterschaften des HLV Darmstadt-Dieburg.
„Eine absolute Werbung für die Leichtathletik und speziell für das geländebetonte Querfeldeinlaufen“, fasste Wilfried Raatz als Organisationschef des Darmstadt-Cross am Ende eines viereinhalbstündigen Programms mit vielen Highlights zusammen. „Ein Event vom Feinsten“ war immer wieder in Trainerkreisen über die Anstrengungen des Veranstalters zu hören, lediglich die etwas in die Jahre gekommene Zeitmessung hakte hier und da, was aber dem beeindruckenden Crossflair nichts anhaben konnte. Vielleicht wäre auch ein stärkerer internationaler Charakter in der Spitze anzustreben, doch dies ist sicherlich eine Frage des Geldes – und das ist selbst bei intensiven Bemühungen der Macher nur schwerlich zu beschaffen.
Und diese Highlights sind in den topbesetzten Rennen der Frauen über 6.600 m mit dem überzeugenden Sieg für die Cross-EM-Sechste Elena Burkard gegen die lange Zeit erfrischend stark mithaltende U23-EM-Zweite Miriam Dattke oder beim fast 150 Starter umfassenden Männerlauf über 9.000 m mit einem tollen Endspurt des erst 20-jährigen Ilyas Yonis Osman gegen die etablierten Asse wie dem Cross-U23-EM-Zweiten Samuel Fitwi und dem mehrfachen Langstreckenmeister Simon Boch zu sehen. Aber nicht nur das, in den Rennen des U20- und U18-Nachwuchses ging es ordentlich zur Sache. „Offenbar ist taktisches Geplänkel Schnee von gestern“, freute sich Wilfried Raatz über das mutige Auftreten einiger Protagonisten in den Hauptrennen und nennt dabei explizit Simon Boch, Markus Görger, Miriam Dattke, Florian Bremm und den Schweizer Julien Salhandske.
Nun aber zu den Rennen im Einzeln. Das unter Lauf 15 firmierende Langstreckenrennen der Männer und U23-Junioren über 9.000 m hatte es fürwahr in sich. Aus einer zunächst neunköpfigen Gruppe mit allen vermeindlichen Favoriten der beiden Wertungsklassen kristallisierte sich final eine Dreiergruppe mit dem U23-Cross-Vizeeuropameister Samuel Fitwi, dem 10-km-Vizemeister Simon Boch und dem erst 20-jährigen Ilyas Yonis Osman heraus, in der immer wieder der betont angriffslustige Simon Boch als „Pacemaker“ auffiel. Dann setzte Samuel Fitwi harte Nadelstiche, denen nur sein Trainingskollege Ilyas Osman folgen konnte – am Ende zeigte der Jungspund im Trikot des TV Waldstraße Wiesbaden seine Stärken. Mit fulminantem Endspurt sicherte sich der gebürtige Somalier, der vor fünf Jahren nach einer abenteuerlichen Odyssee im Rhein-Main-Gebiet landete, den Sieg. „Mit meinem Rennen bin ich richtig zufrieden“, freute sich der Wiesbadener, der im August mit 13:40 min und 28:59 min zwei exzellente Rennergebnisse ablieferte – und seit nunmehr zwei Jahren auf einen deutschen Pass wartet und damit die Chance erhält, für sein neues Heimatland auch international zu starten. „Mein Traum sind natürlich die Olympischen Spiele, wenn es 2020 noch nicht klappt, dann hoffentlich 2024. Schließlich bin ich ja noch sehr jung …!“ Mit 28:14 min zu 28:20 min entschied Osman den ersten Vergleich mit seinem Trainingspartner Fitwi. Und dieser freute sich über Ilyas Osmans starken Auftritt: „Ich weiß, dass Ilyas sehr stark ist. Mein Hauptziel war heute die Qualifikation für Lissabon. Dort will ich angreifen!“
Der Leidtragende im Duell der beiden gebürtigen Afrikaner ist sicherlich Simon Boch, der allerdings nach seinem beherzten Auftritt in Darmstadt mit der EM-Nominierung rechnen darf. „Ich hoffe, dass man beim DLV auch ein Team nominiert“, freut sich der Regensburger auf die in 14 Tagen in der portugiesischen Hauptstadt anstehenden Titelkämpfe.
Mit seiner Nominierung darf auch Markus Görger rechnen, der sich als Aktivposten in der Verfolgergruppe und U23-Zweiter (hinter Osman) das Ticket für Lissabon sichern konnte. Als nette Dreingabe holte sich der 21-jährige Markus Görger auch als Student der Uni Freiburg den Hochschulmeistertitel vor dem Gesamtfünften Johannes Motschmann (Uni Bochum). Pech hatte der für den SSC Hanau-Rodenbach startende Aaron Bienenfeld, der stürzte und somit wertvolle Meter gegen seine unmittelbaren Konkurrenten verlor. Dennoch ist er neben Markus Görger zusammen mit Nils Voigt und Mohamed Mohumed ein Kandidat für das U23-Aufgebot des DLV.
Nach einer mehrmonatigen Verletzungspause hat sich mit Elena Burkard die Cross-EM-Sechste des Vorjahres eindrucksvoll zurückgemeldet – und darf mit berechtigten Hoffnungen als Siegerin des Darmstadt-Cross und Hochschulmeisterin mit ähnlich guten Chancen nach Lissabon reisen. Im Verbund mit der kometenhaft in die europäische U23-Spitze laufende Miriam Dattke hatte sich dieses Duo schon früh von der gewiss nicht schwachen Konkurrenz um die Zwillinge Deborah und Rabea Schöneborn, die Neu-Regensburgerin Domenika Mayer und weiteren Athletinnen absetzen können. „Ich bin glücklich, dass ich hintenheraus noch so stark war“, freute sich Elena Burkard, die sich als Hindernisläuferin auch Chancen auf Olympia 2020 macht. 18 Sekunden dahinter folgte Miriam Dattke, die in dieser Form eine echte U23-Medaillenkandidatin für Lissabon ist. „In Darmstadt läuft es für mich einfach klasse! Nun kann ich mich auf Lissabon freuen …!“ Und auf ein starkes Team hoffen – mit Lea Meyer (5.) und Lisa Tertsch (8.), die bereits 2018 in Tilburg Teil der Goldmannschaft waren.
In bester Form präsentierte sich aber auch Domenika Mayer, die direkt hinter Deborah Schöneborn auf Rang vier einlaufend eine Kandidatin für die DLV-Mannschaft in der Frauenklasse ist. Gemäß den Nominierungsrichtlinien des DLV dürfen die ersten drei der Männer und Frauen sowie der U23-Klassen allesamt auf eine Nominierung für die Cross-EM hoffen. Sollte ein Team für die Mannschaftswertungen nach Portugal entsendet werden, können sogar fünf Athleten nominiert werden.
Mit einem mutigen Vorstoß gewann Florian Bremm die U20-Konkurrenz über 6.600 m vor dem final mächtig aufkommenden 3.000-m-Europameister Elias Schreml, der im Ziel gerade einmal zwei Sekunden zurücklag. Der Sindelfinger Paul Specht hat als Dritter ebenfalls das Ticket für Lissabon gelöst, der Vierte im Bunde wird der deutsche Cross- und Berglaufmeister Dominik Müller sein, der im Startgetümmel einen Tritt in die Achillessehne bekam und das Rennen mit weiteren Blessuren abgeschlagen beendete, sich aber bereits als Sieger des Pforzheim-Cross vor Wochenfrist für die Europameisterschaften qualifizieren konnte.
In Top-Form präsentierte sich Josina Papenfuß in Darmstadt und gewann die U20-Klasse über 4.200 m vor der für die Schweiz in Lissabon antretende Sybille Häring. Mit den auf den nächsten Plätzen folgenden Blanka Dorfel und Anneke Vortmeier konnten sich weitere starke Läuferinnen für Lissabon qualifizieren.
Doch bevor die Europameisterschaften in den Fokus rücken, steht für Elias Schreml und Josina Papenfuß noch eine besondere Auszeichnung an: Die beiden Talente werden übrigens am kommenden Freitag (29.) in Tübingen mit dem GRR-Nachwuchs-Förderpreis 2019 ausgezeichnet.
In den Nachwuchsrennen hatten natürlich die einheimischen Läufer einen überaus schweren Stand, denn auch diese Läufe sind inzwischen längst zu einem Stell-dich-ein der nationalen Spitze geworden.
Im spannenden Verlauf der U18 setzten sich Luk Jäger (TSV Pensberg) und die beiden Erfurter Marvin Küster und Robin Müller gegen Christoph Schrick (ASC Darmstadt) durch, der anfangs mit Mut die Spitze übernommen hatte und prächtig mithalten konnte. In der weiblichen U16 gewann Carolin Hinrichs vom VfL Löningen vor Vanessa Mikitenko, der Tochter der deutschen Marathonrekordhalterin Irina Mikitenko. Lina Bohländer (LG Odenwald) war die schnellste Läuferin der Region als Zehnte, die identische Platzierung schaffte Moritz Hoschek (ASC Darmstadt) bei der männlichen U16. An der Spitze setzte sich Ilias Boukechab (LAC Quelle Fürth) vor dem Berliner Lucas Kemter-Clermont (Zehlendorfer TSV) durch. Bei den Jahrgängen der U14 gewannen Tristan Kaufhold (SSC Hanau-Rodenbach) und Jana Becker (LG Wettenberg), Mika Siebenborn (MTV Urberach/) und Ida Heidelmeyer (ASC Darmstadt) waren mit je einem 9. Platz die Regionsbesten. Bei den Kids der U12 gab es durch Jono Kempin einen erhofften ASC-Erfolg, denn als Dritter schaffte er es als bester Starter des Gastgebers auf das Treppchen