Wer Gerhard Hennige sieht, der glaubt es kaum: Dieser Mann ist Fünfundsiebzig! Am 23. September gerade geworden. Agil und fit, so kommt der einstige Olympionike daher. Die gesunde Bräune versteht sich zudem von selbst. Generationen von asclern kennen ihn, aber nur wenige können seine „glorreichen Zeiten" einordnen.
Beim legendären Internationalen im Züricher Letzigrund im Juli 1969 lief Gerhard im asc-Trikot über seine geliebten 400 m Hürden mit 49,9 Sekunden unter die begehrte 50-Sekunden-Marke. Eine Zeit, die heute noch bei deutschen Meisterschaften auf das begehrte Treppchen reichen würde – man stelle sich vor, das war schlichtweg vor über vierzig Jahren!Zum Vergleich: der diesjährige deutsche Meister Jonas Hanßen lief 49,87 Sekunden. Übrigens, der Hennige'sche Hausrekord steht bei 49,02 Sekunden – gelaufen 1968, seinerzeit noch im Dress von Bayer 04 Leverkusen.
Doch Gerhard Hennige auf diese Bestzeiten zu reduzieren, das würde der großartigen Karriere des gebürtigen Karlsruhers nicht gerecht werden. 1968 lief er bei den Olympischen Spielen in der Höhe von Mexico City mit 49,1 Sekunden Europarekord, im Finale holte er hinter dem Weltrekord laufenden Briten Dave Hemery mit einem überragenden Finish in 49,0 Sekunden zeitgleich mit dem Briten Sherwwod und dem US-Amerikaner Vanderstock die Silbermedaille, Dauerrivale Rainer Schubert wurde in 49,2 Siebter.
Bei den Europameisterschaften in Athen blieb den meisten bundesdeutschen Athleten wegen der Affäre Jürgen May nur die Zuschauerrolle, lediglich in den Staffel-Wettbewerben gingen die DLV-Asse an den Start. Gerhard Hennige, mit 46,5 Sekunden auch ein exzellenter Viertelmeiler, stand im deutschen Team, das Bronze gewinnen konnte. Beim Erdteilkampf Europa gegen Amerika 1969 im Stuttgarter Neckarstadion lief Gerhard Hennige ein weiteres großes Rennen, das er in 50,0 Sekunden gegen den US-Star Ralph Mann (50,0) und Rainer Schubert (50,1) überraschend gewinnen konnte. Im Nationaltrikot startete Gerhard zu „asc-Zeiten" achtmal, darunter auch bei den Europameisterschaften 1969 und 1971.
Auch als asc-Trainer konnte Gerhard viele Talente wie Alexander von Canal, Manfred Kiffe oder Axel Föhrenbach für die 400 m Hürdenstrecke begeistern. Sein Ass jedoch war Lothar Krieg, der 1976 bei den Olympischen SPielen in Montreal mit der deutschen 4 x 400 m-Staffel die Bronzemedaille gewann, bei den Europameisterschaften 1978 über die 400 m-Strecke Vierter in 46,22 Sekunden wurde. Mit Erfolg trainierte er auch die Mehrkampf begeisterten Geschwister Bettina und Christiane Beinhauer. So wurde Bettina deutsche Siebenkampf-Jugendmeisterin, Christiane gewann den Meistertitel der Juniorinnen über 400 m Hürden.
Gerhard Hennige bestach als Athlet mit einer ausgefeilten Technik und einer fulminanten Sprintfähigkeit auf seiner Spezialdisziplin. Als Trainer galt er als Tüftler mit einem besonderen Gespür für Bewegungsabläufe. Gerne auch als Anlaufstation für ausländische Langhürdler wie die Dänen Nils Larsen und Lars Nielsen. Der Diplom-Sportler im Hochschuldienst stand aber auch Pate für das „Fitness-Programm" der THD oder für das in Mode kommende Walking-Angebot.
Lieber Gerhard - der asc wünscht Dir noch viele gesunde und fitte Jahre!