Nele Weßel und Jens Mergenthaler gewinnen überraschend die EM-Qualifikationen – Termindichte bringt Probleme sowohl für den neu belebten Deutschen Cross-Cup als auch für die Cross-Veranstalter
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Klangvolle Namen, spannende Rennen – und typisches Crosswetter mit etwas Sonne, mehr tiefhängenden Wolken und kurzzeitig kräftigem Regen, wertfreies Fazit des Darmstadt-Cross, der sich mit seiner 36. Auflage mit allerdings gewissen Abstrichen in die honorige Reihe herausragender Events in Sachen Crosslauf bestens einfügen konnte.
Mit 350 Crossfreunden blieb die Resonanz doch beträchtlich hinter den ansonsten im Südhessischen gewohnten Starterfeldern zurück. „Die Gründe liegen auf der Hand“, erläuterte Wilfried Raatz, der einmal mehr mit seinem Mitarbeiterteam beim asc Darmstadt in mustergültiger Manier eine Veranstaltung vom Feinsten ins Gelände brachte. „Coronabedingt setzt sich offenbar der starke Teilnehmerrückgang nach der Straßenlaufsaison auch in der Crosslaufsaison fort. Aber den Hauptgrund sehen nicht wenige Trainer in der massierten Abfolge von Crossterminen mit den nunmehr am ersten Advent stattfindenden Deutschen Meisterschaften. Der Neustart des Deutschen Cross-Cup hätte ein besseres Echo verdient!“
Beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) wird man sich intensive Gedanken über die Terminstruktur im Cross machen müssen, vor allem wenn eine über viele Monate währende Bahn- und Straßenlauf-Saison kaum ausreichende Regeneration und keinen vernünftigen Neuaufbau zulassen. „Durch die dichte Terminfolge mit DM und Deutschem Cross-Cup amputiert man unweigerlich die Traditionsveranstaltungen, wie es der Darmstadt-Cross mit nunmehr 36 Auflagen ist“, so Wilfried Raatz, der einst nicht nur den Darmstadt-Cross, sondern auch den Deutschen Cross-Cup ins Leben gerufen hatte.
Für die Macher des traditionsreichen Darmstadt-Cross auf dem idealen Terrain in der Heimstättensiedlung galt jedoch das Prinzip: Nicht klagen, sondern mit Weitblick organisieren. So wurde das Wettbewerbsangebot gekürzt, die angebotenen Laufstrecken angesichts der eine Woche später folgenden deutschen Titelkämpfe ebenso. So betrug die Langstrecke lediglich 6.100 m, die Frauendistanz nur 4.300 m. Mehr oder weniger eine Tempospritze für die Titelkämpfe. Neben den Wettbewerben im Deutschen Cross-Cup mussten allerdings zwei neue Wettbewerbe kreiert werden, die mit namhafter Besetzung das „Salz in der Suppe“ jedenfalls waren, die Qualifikation für die Mixed-Staffel bei den Europameisterschaften in Turin (11. Dezember) über 1.800 m.
Darmstadts Bürgermeisterin und Sportdezernentin Barbara Akdeniz freute sich mit den Machern des Darmstadt-Cross über eine durchweg gelungene Fortsetzung der Crosstradition und nannte die Veranstaltung zusammen mit dem Stadtlauf als Highlight im Sportkalender der Wissenschaftsstadt.
Die EM-Qualifikationsläufe waren zweifellos der Höhenpunkt des diesjährigen Darmstadt-Cross, bei denen sich jeweils zwei Frauen und zwei Männer für einen Staffelplatz empfehlen konnten. Ob der DLV allerdings eine Staffel nach Norditalien schicken wird, das wird erst nach den Deutschen Meisterschaften in Löningen entschieden. Eines jedenfalls konnten die anwesenden Trainer in Darmstadt feststellen, mit Mut und Kampfstärke wussten sich mit Nele Weßel und Elena Burkard bzw. Jens Mergenthaler und Marc Tortell vier Athleten eindrucksvoll in einem leistungsstarken Feld über die 1.800-m-Distanz durchsetzen.
Bei den Frauen imponierte die crosserfahrene Elena Burkard mit forscher Führungsarbeit, der letztlich nur noch Nele Weßel folgen konnte. Die Tochter der früheren deutschen 10.000-m-Rekordhalterin Katrin Weßel (Ullrich) ging in der Schlussrunde aus dem Windschatten der Hindernisspezialistin an die Spitze und lief nach 6:13 Minuten mit zwei Sekunden Vorsprung auf Elena Burkard als Siegerin über die Ziellinie. „Natürlich bin ich sehr zufrieden“, gestand die 23-Jährige im Trikot von Eintracht Frankfurt. Und freute sich zudem, dass sie damit mit ihrer Mutter als Siegerin eines Laufes in Darmstadt gleichziehen konnte, denn diese hatte 1991 den seinerzeit noch unter „Cup da Franco“ firmierenden atmosphärischen Stadtlauf vor starker Konkurrenz gewonnen.
Eine starke Vorstellung gab Jens Mergenthaler, der sich an der Spitze aller Angriffe zu erwehren wusste und in 5:14 Minuten mit ebenfalls zwei Sekunden Vorsprung vor Marc Tortell ins Ziel einlaufen konnte. „Ich wollte von Anfang an das Tempo bestimmen, denn im Spurt wäre ich gegen die starken Mittelstreckler chancenlos gewesen!“, kommentierte der eigentliche Hindernisspezialist des SV Winnenden seine Strategie. Und Marc Tortell gab ein klares Bekenntnis zu Darmstadt ab: „Ich komme immer wieder gern nach Darmstadt", gestand der Student für Grafik-Design, der übrigens als Schüler schon beim Darmstadt-Cross erfolgreich war.
Um Cross-Cup-Punkte ging es bei den Wettbewerben der männlichen und weiblichen U18, U20, U23 sowie Männer und Frauen – bei allerdings sehr magerer Resonanz. Darmstadt war dabei bereits die dritte Station der heuer fünfteiligen Serie mit München und Pforzheim sowie den nunmehr noch folgenden Veranstaltungen mit der DM in Löningen und Weinstadt. Trotz der ausgelobten Prämien bei den Nachwuchsläufen und den zusätzlich in Darmstadt ausgegebenen Prämien für die Männer und Frauen sowie die EM-Qualifikation und im Cross-Sprint war angesichts der anstehenden Deutschen Meisterschaften die Beteiligung selbst mit den in Darmstadt geplanten Veränderungen enttäuschend.
Gegen die starken Nachwuchsläuferinnen hatten es die Frauen in diesem komplexen Lauf schwer, so lief die Frauensiegerin (Kathrin Lehnert) erst auf Rang zehn, gefolgt von der W45-Siegerin Simone Raatz, die einmal mehr auch gegen weitaus jüngere Konkurrentinnen zu überzeugen wusste. Zusammen mit dem in der Organisation stark eingebundenen Axel Dietrich waren dies die einzigen Läufer. Für die anderen stand der zweitägige Helfereinsatz im Vordergrund.
Dass der asc dennoch mit dreißig Startern bestens vertreten war, das ging auf das Konto des lauffreudigen Nachwuchses, zumal es auch um die Kreismeistertitel ging. So gewannen Hanna Schmid (W12) und Marlo Friedrich (M12) in ihrer Altersklasse über 2.400 m den Kreismeistertitel.
Die weiteren Kreismeister des asc:
M15 (2.500 m): Mika Siebenborn 9:09
M14 (2.500 m): Christof Kittner 8:56
W8 (1.300 m): Jana Dretzke 6:11
M7 (1.300 m): Moritz Gebhardt 5:58.
Naturgemäss viel Gedränge gab es bei den Crossläufern in spe, denn große Startfelder bei den Jüngsten sind ebenso Tradition beim Darmstadt-Cross wie eigentlich die prall gefüllten Apfeltüten. Als Lohn für ihre (oftmals) ersten Crosserfahrungen gab es für die Wettbewerbsschnellsten allerdings die aktuell kreierte „Cross-Mütze“ mit dem Emblem des Darmstadt-Cross. Die Macher des Darmstadt-Cross, der in einem kurzweiligen Drei-Stunden-Programm auf dem idealen Crossgelände abgewickelt werden kann, sind damit erstmals abgekehrt von einer geliebten Tradition mit knackigen Äpfeln. Sicherlich auch geschuldet den gestiegenen Einkaufspreisen für diesen liebenswerten Vitaminschub.