Deutsche Mehrkampfmeisterschaften in Vaterstetten
Die „Königsdisziplin" der Leichtathletik, der Zehnkampf, zeigt mitunter, was sie an Emotionen und diesbezüglichen Wechselbädern zu bieten hat. So auch bei den diesjährigen Deutschen Mehrkampfmeisterschaften am vergangenen Wochenende im bayerischen Vaterstetten bei München: zwei lange, harte Wettkampftage; Wetterkapriolen mit Kühle, Wärme, Wind und Wolken, Sonne und Starkregen; die große Gefühlspalette: Hoffen, Bangen, Ärger, Ängste, Mut, Überwindung, Enttäuschungen, Überraschungen, Individualismus und Teamgeist, Freude und Jubel!
Am Ende sahen sich unsere U 20-Zehnkämpfer Dennis Hutterer, Falko Neutzsch, Marvin Kappes und Sven Dunkel für ihren beeindruckenden Einsatz belohnt: Gold mit dem Deutschen Meistertitel für die Mannschaft mit neuer Bestleistung, Silber für Dennis in der Einzelwertung – die Saisonplanung der asc-Mannen ist aufgegangen!
Ein Wettkampfbericht fällt natürlich immer leicht, wenn es gute Ergebnisse zu vermelden gibt. Dennoch kann es interessant sein, zunächst nachzuzeichnen, wie sie zustande gekommen sind. Und daher fängt dieser Bericht nicht wie gewohnt mit den erfreulichen Ergebnissen an – sie gehen ja schon aus der Überschrift hervor -, sondern er schaut ein halbes Jahr zurück und beginnt mit dem Athleten, dessen Abschneiden für den Mannschaftserfolg diesmal entscheidend war: Falko Neutzsch! Wer, wie Falko, nach zweijähriger Odyssee wegen Schmerzen an beiden Knien mit gleich drei falschen Diagnosen und Fehlbehandlungen konfrontiert worden ist und dann im letzten Jahr (zum Glück erfolgreich) gleich an beiden Knien operiert werden musste; wer sich, wie er, durch die Regenerationszeit gequält hat und vor wenigen Monaten noch nicht wissen konnte, ob er beim Hoch- und Stabhochsprung in absehbarer Zeit überhaupt wieder abheben kann; wer, wie er, allen Zweifeln und allen Zweiflern mit Zuversicht und Beharrlichkeit die Stirn geboten hat – den darf man hier zurecht einmal besonders hervorheben!
Lieber Falko, du warst am Wochenende unser Matchwinner! Die 400 Punkte, um die Du Dich mit zahlreichen persönlichen Einzelbestleistungen gesteigert hast, waren genau die Zähler, die unseren Mannschaftssieg vor den starken Karlsruher Jungs gesichert haben! Wie würde Dirk nun sagen (ein kleiner „Insider" sei noch gestattet...): Juhuu!
Nun, an starken Leistungen und Emotionen haben es auch Dennis, Marvin und Sven nicht fehlen lassen, daher flugs zu den Fakten, Disziplin für Disziplin:
100 m: Der Stadionsprecher hatte beim Bürgermeister schon deutlich anklingen lassen, dass die Bahn mausetot sei und ausgetauscht werden müsse, wenn Vaterstetten als Ausrichter von Meisterschaften interessant bleiben wolle. Entsprechend ließen praktisch alle Starter zwischen zwei und drei Zehntel auf ihre Bestmarken liegen. Praktisch alle, aber nicht so Marvin, der sich sogar noch um fünf Hundertstel (auf 11,57 s) steigert. Dennis mit 11,31, Falko mit 11,55 und „Jungritter" und vierter Mann Sven (eigentlich noch im ersten Jahr U 18!) gleichfalls mit guten 12,04 sec im Ziel. Niemand verletzt, alles im Soll, wenn auch leichtes Gebrummel bei Dennis.
Weitsprung: der erste Knaller – Dennis hat einen gültigen Versuch knapp über 6 m! Wenn auch ein wenig vorm Brett (rd. 1 Meter) – Mist (Gebrummel beim Trainer), das muss doch besser gehen. Geht auch – bei Falko: 6,75 m, Bestleistung! Uff. Marvin im ersten Versuch gleich 6,01 m, Sven nach zwischenzeitlichen, leicht kontraproduktiven Telemark-Landungen im dritten auf gute 5,62 m, Dennis schließlich im letzten Versuch (wieder weit vorm Brett) noch auf ordentliche 6,57 m. Die Mannschaftsbilanz stimmt.
Kugelstoßen: Falko gleich mit dem ersten Stoß Bestleistung mit 13,28 m. Marvin stößt nicht die Kugel von sich, sondern sich von der Kugel weg: 9,86, ein halber Meter zu wenig, er ärgert sich. Aber nicht so sehr wie Dennis, dessen Drehstoßtechnik ihm einen Strich durch gut 100 Punkte macht, die eigentlich sicher eingeplant waren. Nur knapp über 14 Meter (wie hießen diese treffenden Flüche noch mal? Warum, ihr Zehnkampfgötter, denn gerade heute?...). Sven kommt mit dem ungewohnt schweren Gerät hingegen auf solide 10,70 m. Hm, da müssen wir nun durch. Schwerer Rückstand auf die Konkurrenz.
Hochsprung: Na also – geht doch! Flugshow der asc-Jungs! Sven nahe der Bestleistung (1,67 m), Marvin Bestleistung (1,73 m), Falko Einstellung der Zehnkampf-Bestleistung (1,88 m) und Dennis lässt trotz zwickenden Knies mit 2,03 Metern gleich die gesamte Konkurrenz hinter sich. Diese Punkte sind wichtig! Wir sind wieder im Spiel.
400 Meter: Falko lässt die nächste Bestmarke folgen und kommt in prima 50,85 sec ins Ziel, Marvin lässt sich nicht lumpen und legt gleichfalls eine gute halbe Sekunde drauf (51,59 sec), Dennis hat schwere Beine, aber die 52,11 sec gehen noch hin. Klasse wieder „Youngster" Sven, der sich auf 54,07 sec steigert.
Halbzeit, Mannschaftsdurchschnitt in Ordnung, packen, duschen, essen, Sandmännchen schauen, ab in die Heia.
Tag 2 begrüßt das Aufstehen mit einem schönen Wolkenbruch um 5:00 Uhr morgens. Dafür bleibt auch alles länger frisch – Temperaturen wie im Gemüsefach des heimischen Kühlschranks. Na prima, das kann ja heiter werden...
110 m Hürden: Marvin stolpert, taumelt, kommt aus dem Rhythmus, hoppelt weiter und rettet sich in 18 Sekunden wenigstens noch ins Ziel (Erfindung vieler neuer Flüche...), Sven wieder sehr solide (16,70 sec), Dennis schnell auf den Beinen, aber mit der scheppernden Grazie eines Waldarbeiters beim Holzmachen über den Hürden - egal, mit 15,25 sec kann man den Winter schon überstehen. Doch Falko zeigt, wie's geht: 14,80 sec, die drittschnellste Zeit im Feld – Nervennahrung für die Trainer.
In der Pause bis zum Diskuswurf zeigt Petrus noch mal, was in ihm steckt, Hausputz, kübelweise Wasser vom Himmel, Land unter im Stadion. Eine halbe Stunde später erste zaghafte Wolkenlöcher, dann lacht die liebe Sonne doch noch und setzt sich schließlich gegen die dräuenden Wolken durch, sodass dem Rest des Tages wettertechnisch nichts mehr im Weg steht. Aber Wettertechnik ist eben nur die eine Seite der Medaille. Die andere heißt Mehrkampftechnik, und die hat es mindestens ebenso in sich.
Diskus: Dennis' „Drehwurm" bleibt ihm treu. Trotz bester Weite im Feld (45,42 m) kein Gefühl, alles weg, weiß der Teufel, wo. Wieder gut 150 Punkte verschossen. Dabei schon so viele Wettkämpfe in diesem Jahr mit dick über 50 Metern. Kopfschütteln und Ratlosigkeit. Hilft nix, nach vorn schauen. Schließlich hat Marvin auch verbaselt und muss sich mit einem Sicherheitsstandwurf auf ziemlich überschaubare 24,61 m zufrieden geben. Doch Trainer Stephen war gut beraten, auf dieser Ausführung zu bestehen – die hieraus noch resultierenden 360 Punkte hätten (oder haben) am Schluss den Mannschaftssieg gesichert. Alle anderen Punkte natürlich auch. Aber das zeigt: im Zehnkampf heißt es mitnehmen, was geht, auch wenn mal nichts geht. Sven mit 29,17 m o. k., Falko aber gleich wieder im ersten Versuch persönliche Bestleistung mit 39,18 m. Die Konkurrenz schaut langsam verwundert. Wer ist denn dieser unbekannte Darmstädter, der da bislang so gar keine Löcher in der Bilanz hat? Nach dem Diskuswurf rutschen die Jungs hinter die wurfstarken Karlsruher zurück. Ärgerlich. Aber wartet nur, gleich sind wir wieder an der Reihe...
Bemerkung nebenbei: Wer der Auffassung ist, man könne seine (Diskus-) Technik nicht mal so eben über Nacht verlieren, der schaue bitte auf den bis dato deutlich in Führung liegenden 8200 Punkte-Zehnkämpfer Matthias Prey (SSC Rönnau) bei den Männern, der seine Titelambitionen durch gleich 3 ungültige Würfe begraben muss. Der Zehnkampf verzeiht keine Fehler und begnügt sich nicht mit neun erfolgreichen Disziplinen.
Stabhochsprung: Einspringen. Dennis sticht über dem Kasten ein, „schmiert ab", schabt sich ein Stück „überflüssige" Haut über dem Handgelenk ab und landet kopfüber gerade noch so eben auf der Matte. (Trainerpuls 180, Blutdruck 300, Schweißausbruch, Haltung bewahren - zumindest die Frisur sitzt...). Erster Versuch von Dennis bei 4,10 m, Einstich schief, gerissen, oje. Aber dann wieder astreine Flugshow, mit schließlich hoch übersprungenen 4,60 m die beste Leistung im Feld – Junge, Junge, gute Nerven, Respekt! Auch Marvin, Falko und Sven lassen sich nicht lumpen, überspringen 4,20, 4,10 und 3,50 m - allesamt mit Einstellung der persönlichen Bestmarken - und legen unter dem Strich mehr als 2 Meter sowie über 300 Punkte zwischen sich und die Konkurrenz. Wieder Morgenluft!
Pech für den besten Karlsruher Athleten Nils Kruse, der sich heftig den Fuß verstaucht, sich dann aber mit schmerzverzerrter Miene im Speerwurf und über die 1500 Meter in den Wettkampf zurück kämpft und eine Bravourleistung für sich selbst und seine Mannschaft vollbringt. Pech auch für den bislang die Einzelwertung anführenden Sascha Menn, der im Stabhochsprung auf Dennis exakt einen Meter verliert. Ein verflixt spannender Endkampf!
Speerwurf: Den kann Sascha besser (mit fast 60 Metern) als Dennis, der seinen Vorsprung trotz Bestleistung mit 52,60 Metern wieder einbüßt und nun genau einen Punkt hinter dem Kindelsberger Athleten liegt. Marvin wirft 33,76 m. Sven kommt auf gute 42,81 Meter und dann kommt Falkos einzige, aber dafür umso größere Zitterdisziplin: erster Wurf – sssst, ab in die Wolken, Absturz auf 28 Meter! Zweiter Wurf – ssst, ab in die Wolken, immerhin mit einem „eleganten" Seitwärtsschlag, Absturz, ca. 33 Meter, leider übergetreten. Dritter Wurf (Herzkasper beim Trainer: „Karl, mei Drobbe...", Augen zuhalten? Doch hinschauen?), nein, der Speer fliegt halbwegs gerade! Gerade!! 40,18 Meter – neue Bestleistung! Unglaublich!
1500 Meter: Jeder unserer Jungs muss einen der Karlsruher Verfolger auf Distanz halten, ein schweres Stück Arbeit. Marvin beißt die Zähne aufeinander, brettert trotz verkrampfter Waden durch und kommt in tollen 4:42,45 Minuten ins Ziel. Sven, ihm auf dem Fuß, in gleichfalls hervorragenden 4:53,35 Minuten – eben der Zeit, die Dennis zum Titel gereicht hätte, der aber einfach nicht mehr die Kraft hat, um Sascha Menn zu folgen, der sich mit dieser Zeit Einzelgold holt. Dennis kommt in 5:03,43 ins Ziel, Falko mobilisiert alle noch verbliebenen Kraftreserven, rettet sich in 5:12,04 Minuten stehend k.o. über den Zielstrich und bleibt minutenlang keuchend liegen.
Alle und alles restlos geschafft – in jeder Beziehung! Eine tolle Teamleistung unserer Jungs!
Nach kurzer Hochrechnung ist klar: die asc-Mannschaft holt mit 19.788 Punkten den Titel vor den gegenüber dem Vorkampf stark verbesserten Karlsruhern (19.523 Pkt., zuvor rd. 18.700), der LG Sempt (18.568 Pkt.) sowie dem ausfallgeschädigten USC Mainz (15.417). Dennis, der ja noch dem jüngeren U 20-Jahrgang angehört, erkämpft hinter Sascha Menn (7.406 Pkt.) den Vizemeistertitel in der Einzelwertung und wartet trotz seiner hohen Kugel- und Diskusverluste (rd. 250 Pkt.) mit noch immer sehr guten 7.348 Punkten auf.
„Joker" Falko stößt mit glänzender Steigerung seiner bisherigen Bestmarke (6.340 Pkt.) mit 6.757 Punkten auf den siebten Platz der Gesamtwertung vor, Marvin verbessert sich trotz zweier heftiger Wackler gleichfalls noch um rund 20 Zähler auf 5.683 Punkte (Rang 22) und der Jüngste im gesamten Feld, Sven, erreicht schließlich hervorragende 5.502 Punkte und wird dem asc-Mehrkampf künftig bestimmt noch viel Freude machen!
Großer Jubel bei den Jungs, den mitgereisten Eltern und Fans sowie den Trainern Bernhard, Reiner und Stephen.
Nun gilt es, diesen Schwung in drei Wochen mit ins deutsche TEAM-Finale ins westfälische Lage mitzunehmen, das für alle asc-ler die letzte große Bewährungsprobe in diesem Jahr darstellt.